Griesheimer Anzeiger vom 22. April 2015 (Tankstelle) - ZwiebelBühne - TuS Griesheim 1899 e.V.

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Zwiebelduft von der Tankstelle


Gelungene Darbietung des Musikfilms „Die Drei von der Tankstelle“ auf der Zwiebelbühne

Mit der Premiere der als Film bekannten Kommödie „Die Drei von der Tankstelle“ eroberte sich die Zwiebelbühne erfolgreich das Neuland des Musiktheaters: die Rollen geprägt von den Ikonen des Nachkriegsfilms Adrian Hoven, Walter Müller und Walter Giller, und obendrein noch eine Handvoll unsterblicher Ohrwurmmelodien:  „Die Drei von der Tankstelle“ ist wahrlich eine starke Vorgabe.

Liegt da die Latte nicht ein wenig zu hoch, um sogar mit einer fürs Fernsehen verfilmten Komödie in Konkurrenz treten zu wollen? Die Frage stellt sich in dieser Form niemandem, der die Zwiebelbühne kennt. Zum einen ist die Bühne ein anderes Genre als der Film. Als Vollbluttheaterfrau und routinierte Regisseurin hat Kerstin Halla die Möglichkeiten und Grenzen ihres Mediums natürlich im Blick: wo der Film mit schönen Bildern glänzend bezaubert, muss die Bühne mit der Lebendigkeit der Menschen begeistern. Dennoch macht die Zwiebelbühnen-Chefin keinen Hehl daraus, mit ihrem Ensemble gerne Wagnisse einzugehen und Herausforderungen anzunehmen. Die kontinuierlichen Erfolge der vergangenen Jahre stärken zu Recht das Selbstbewusstsein der Truppe und gaben Rückhalt. „Wir wollen ja immer Neues suchen und  noch wachsen. Und irgendwie schaffen wir das dann auch“, sagt Halla.
Im vorigen Jahr lag die Zusatzaufgabe in dem Stück „Der süßeste Wahnsinn“ bei der Playback unterstützten Live-Gesangseinlage. Die Bewältigung nährte vielleicht ganz weit hinten im Hinterkopf schon den Gedanken an mehr. „Musiktheater – warum nicht? Außerdem hat uns das Stadtjubiläum inspiriert, auch etwas Besonderes auf die Bühne zu bringen. „Die Drei von der Tankstelle‘ hat ja auch ein Jubiläum, als einer der ersten deutschsprachigen Tonfilme der Universum Film wurde er 1930 in Berlin uraufgeführt“, erklärt Halla. Dass darin erstmals auch musikalische Darbietung unmittelbar mit der Handlung verzahnt wurde, kann man als avantgardistisch bezeichnen. Filmoperetten späterer Jahre sowie das Filmmusical in Amerika nahmen sich ein Beispiel daran.
„Was man nicht kann, hat man nur noch nicht richtig geübt! Mit Axel Heintzenberg haben wir einen kompetenten und geduldigen Lehrer gefunden, dessen Herzblut in die Produktion eingeflossen ist und der alles daran gesetzt hat, uns fit zu machen“, fügt sie hinzu. Axel Heintzenberg kennt Musik und Theaterbetrieb in allen Facetten: Er arbeitet als freiberuflicher Komponist, Arrangeur und Toningenieur, gibt Gesangs- und Klavierunterricht, leitet verschiedene Chöre und tummelt sich in verschiedenen Formationen als Sänger oder Bassist selber auf der Bühne. Ihn als Korrepetitor gewonnen zu haben, bezeichnet Halla als Glücksgriff. „Als der ‚Mann am Klavier‘ ist er natürlich ohnehin fest in die Produktion eingebunden. Uns war klar, dass der Probenaufwand deutlich höher sein würde als sonst. Allerdings hatten wir mit geballten Widrigkeiten zu kämpfen wie nie zuvor und manchmal schien die ganze Produktion in Frage zu stehen,“ erinnert sich die Regisseurin. Krankheitsbedingte Ausfälle verlangten allen Beteiligten spontanes Handeln, äußerste Flexibilität und Professionalität ab. Aber das ist eben Laientheater, denn als Motivation steht dahinter nur echte Leidenschaft. Nur wahre Liebhaber sind so beseelt und opferbereit. So ist „ZwiebelBühne“: „Bei uns lebt wirklich jeder ganz für das Stück, egal ob er auf der Bühne steht oder eine von den vielen Aufgaben hinter den Kulissen versieht, ohne die der Laden nicht laufen würde. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass jeder alles gibt und nichts wichtiger ist, als die Premiere bestens hinzukriegen, komme, was da wolle“, sagt die Regisseurin.
Vielleicht ist es gerade dieses Moment, das die ZwiebelBühnencrew auch aus dem Stück heraus gespürt hat. Es bedarf keiner mühevollen dramaturgisch zurecht gefeilten Interpretationen: Der Aufbruchsgeist der 50er Jahre springt einen an, die „Hopplajetzt-komm-ich-Mentalität“ bekommen die Gäste buchstäblich in einem Couplet präsentiert. Wenn man ganz unten ist – so wie Wirtschaft, Lebensstandard und Lebensgefühl unmittelbar nach dem Krieg – kann es nur noch aufwärts gehen. Doch auch hier spricht das Stück deutliche Botschaften: Man ist auf der Welt auf sich selbst gestellt und auch die drei von Pleiten Pech und Pannen gebeutelten jungen Männer werden „nicht klagen, nicht verzagen“, denn „einmal schafft‘s jeder, nur auf Dich selbst kommt‘s an“.  
Tief scheint die zeitgeistige Sehnsucht danach zu sitzen, den Pionierelan von damals wieder heimisch zu machen: So gesehen weht aus dem Stück selber schon frischer Wind für morgen. Nicht umsonst lautet ein lockerer Szenespruch: „Wir schauen nur zurück, wenn‘s im Trend weit vorne liegt.“ Und warum war nach der Aussage des „kleinen Mannes auf der Straße“ früher doch alles besser? Menschlichkeit! Ja, früher zählte der Mensch noch etwas und auch da legt das Stück den Gästen musikalisch das Credo ans Herz: Selbst wem der Film nicht bekannt sein sollte, kennt das legendäre Lied daraus „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste was es gibt auf der Welt.“
Hinter den Kulissen der ZwiebelBühne hat diese Kraft der zwischenmenschlichen Wertschätzung und des gemeinsamen Anpackens längst Einzug gehalten und zur Basis des Erfolgs gemacht. Die Zwiebelbühne ist das Theater ohne Nebenrollen – natürlich gibt es Figuren, die sich handlungsführend länger auf der Szene aufhalten. Das tut dem aber keinen Abbruch, dass jeder, wirklich jeder, auch bei minimalem Einsatz sein Maximum gibt. Niemand empfindet sich hier als Stichwortgeber, jeder ist eine Person und Persönlichkeit.  
Gerichtsvollzieher Andreas Droll gibt den eingleisig leicht süffisanten Ordnungsmenschen, als muntere Bardame lebt sich Rosi Fischer aus. Als Hausmeister steckt Armin Blietschau fest in seiner Aufgabenwelt. Katharina Wenz ist als Fräulein Mondschein die Bilderbuchausgabe des Vorzimmerdämchens, eine stets dem verehrten Chef ergebene Perle. Der Chef selber, Konsul Kosmann, wird von Bernd Martens charaktervoll wie immer zum typischen Unternehmer belebt. Den leicht naiven Jugendcharme bzw. den gereiften Ladyreiz verkörpern seine Tochter, dargestellt von Carina Bernauer, und Elke Brück als seine Freundin. Und die „Drei von der Tankstelle“ selber. Sascha Stey weiß, wie er der vom Glück begünstigte Liebende wird. Christian Zuckermann hat keine Mühe, einen kokettierenden, bisweilen blasierten Kurt von Waldbach auf die Bretter zu stellen, und mit der ihm eigenen Mischung aus Verschmitztheit und Tollpatschigkeit wird aus Holger Leichtweiß ein authentischer Hans Mühlheim.  
Fazit: Wenn das Stück ein Experiment war, so ist es gelungen und man möchte darum bitten, dass die ZwiebelBühne auf dem soeben eroberten Neuland weitere Schritte wagt – das Publikum wird treu folgen, die ZwiebelBühne hat Freunde. pem

„Küss‘ die Hand, gnädige Frau., Dem Charme der 1950er Jahre erlag auch das Publikum im Zöllerhannes, als Kurt (Christian Zuckermann) die attraktive Lilian (Carina Bernauer) hofierte. jm-foto

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